Baurechts-

tag

mit

der Justiz

Dresden

2023

Die Arbeitskreise Berlin-Brandenburg und Sachsen/Sachsen-Anhalt setzen ihre Kooperation fort. Nach der ersten gemeinsamen Baurechtstagung in Magdeburg 2022 unter Federführung des AK Berlin-Brandenburg fand nun in Dresden die zweite Tagung statt, diesmal unter organisatorischer Leitung des AK Sachsen/Sachsen-Anhalt. An dieser Veranstaltung beteiligte sich auch die Sächsische Justiz als Mitveranstalter. So trafen sich, nach einem entspannten vorabendlichen Get Together, am 02.11.2023 knapp 50 Teilnehmer, fast paritätisch verteilt auf Anwaltschaft, Richterschaft, Sachverständige und Bautechniker, im Festsaal des Oberlandesgerichts Dresden. Der Sitz des OLG im historischen Ständehaus an der Brühlschen Terrasse, direkt an der Elbe im Kern des historischen Zentrums der Landeshauptstadt, bot einen besonders schönen wie auch inspirierenden Rahmen für den interdisziplinären Austausch. Digitalisierung und technische Normen in der richterlichen, anwaltlichen und bautechnischen Arbeit waren die Leitthemen der Veranstaltung, die auch bei der Auswahl der Referenten auf eine regionale Orientierung Wert legte.

Herr VorsRi am LG Görlitz (Außenkammern Bautzen) Gregor Lucas erinnerte in seinem Eröffnungsvortrag geradezu mahnend an die Grundregeln und zentrale Bedeutung eines spezifisch baurechtlich strukturierten Sachvortrags auch bei digitalisierten Abläufen im zivilen Bauprozess. Nur so werde die Orientierung nicht verloren und in der eigenen Hand behalten statt, wie mitunter auf hoher See, in diejenige Gottes weggegeben.

Diese Rückbesinnung auf die zentralen „handwerklichen“ Regeln des forensischen Baurechtsanwalts bildeten eine ideale Grundlage für das anschließende Kontrastprogramm: Ass. iur. Lennart Zentara, Doktorand an der Humboldt-Universität Berlin, nahm in seinem Vortrag „Künstliche Intelligenz in der Rechtspraxis“ auch dem letzten Skeptiker jede Illusion: der Einsatz und das Arbeiten mit sog. „KI“ wird im technischen, anwaltlichen und richterlichen Alltag Einzug halten (und hat es inzwischen oft auch schon) als zweifellos „unabwendbares Ereignis“ – Ignorieren und Hoffnung auf Entkommen zwecklos. Sein Bericht, dass die Professoren der Universität inzwischen gar einen bemerkenswerten Anstieg des sprachlichen Niveaus von Hausarbeiten bemerken, ließ bei den Teilnehmern allerdings die skeptische Rückfrage entstehen, ob damit wirklich auch eine entsprechende Entwicklung von Wissen und fachlichen wie sprachlichen Fähigkeiten der menschlichen Verfasser – oder vielleicht nur noch „Einreicher“? –  dieser Hausarbeiten einhergehe oder dies vielleicht sogar eher eine gegenteilige Entwicklung nehme.

Unter der motivierenden, gekonnten Moderation von Herrn VorsRi am OLG Dresden Wolfram Jena diskutierten die Referenten Lucas und Zentara sowie Frau VorsRi LG Dresden Kati Reißmann, gemeinsam mit dem Publikum, über Status Quo und erwartete bzw. befürchtete Zukunft beim digitalisierten Arbeitsalltag der Baujuristen.

Nach der Mittagspause staunten zumindest die nicht technischen Teilnehmer, wie durch den Einsatz parametrischer Daten u.a. Planungsprozesse standadisert werden können, um möglichst aufwandsarm modulare Bauweisen für seriellen Wohnungsbau, zudem in Holzbauweise, zu ermöglichen. Hartwig Weyrich von GROPYUS Execution Germany GmbH Berlin erläuterte überzeugend, dass kostengünstiger Geschosswohnungsbau auch heute schon möglich ist.

Herr Ulf Greiner Mai aus Weimar, Projektsteuerer und freier Sachverständiger für Leistungen und Honorare von Planerinnen und Planern, berichtete über die aktuelle Praxis bei der Vertragsgestaltung für digitalisierte Arbeitstechniken im Planungsprozess, u.a. beim Building Information Modeling (BIM). Waren hierzu nicht nur die genauen Leistungsinhalte, sondern auch die Vergütung schon vor Inkrafttreten der HOAI 2021 vollkommen frei vereinbar, so wird nach Ansicht des Referenten auch die für 2025 erwartete HOAI-Reform keine grundlegende Veränderung bringen. Selbst wenn die Arbeitsmethode „BIM“ in die geregelten Grundleistungen einbezogen würde, so biete doch die ohnehin per se nicht mehr preisrechtlich verbindliche HOAI in der Zukunft immer weniger eine unternehmerisch belastbare Basis für auskömmliches Arbeiten. Dies erfordere mehr kaufmännisches Bewusstsein sowie Offenheit und auch Mut zu alternativen Vergütungsmodellen. Das gefiel keineswegs allen anwesenden Vertretern der Planerschaft, und so war ausreichend Anlass für eine interessierte und intensive Podiumsdiskussion unter der fachkundigen Moderation des Leiters des AK Berlin-Brandenburg, Herrn Rechtsanwalt Ernst Wilhelm.

Bei so viel Input zu anstehenden und unvermeidbaren Neuerungen und immer schnelleren Entwicklungen für alle technisch und juristisch mit Bauprojekten Befassten erschien dann der Abschlussvortrag von Rechtsanwalt Dr. Richard Althoff, Leiter des AK Sachsen/Sachsen-Anhalt, geradezu entspannt-vertraut: Technische und bauordnungsrechtliche Normen als Maßstab werkvertraglicher Leistungspflichten, besonders beim Bauen im Bestand. Doch selbst bei scheinbar zuverlässig-festen Regeln, z.B. die Vermutung für einen Mangel der Leistung bei Abweichung von einer DIN-Norm, bleibt vielleicht „kein Stein auf dem anderen“: gerade das Tempo technischer Entwicklungen lässt althergebrachte Grundsätze, wann und wie lange technische Bauverfahren und planerische wie handwerkliche Ausführungen als anerkannte Regel der Technik gelten können, besonders in kodifizierter Form wie eben z.B. bei DIN-Normen, zunehmend fraglich erscheinen. Auch mögliche sowie zur Kosteneinsparung und Bedarfsdeckung erwünschte Innovationen – oder schlichtweg auch nur alternative, aber inzwischen gleichwertige Techniken – stehen zunehmend in einem Konfliktverhältnis zu den baurechtlichen Grundsätzen über Darlegungs- und Beweislast bei Abweichungen von allgemein anerkannten Regeln der Technik und stellen diese grundlegend in Frage. Der Referent stellte in diesem Zusammenhang auch die Initiative der Architekten- und Ingenieurkammern zur bautechnischen, bauplanungs- und bauvertraglichen Implementierung des experimentellen „Gebäudetyp E“ und einige Empfehlungen des Arbeitskreises Normung des 9. Deutschen Baugerichtstages 2023 vor und nahm damit allen Zuhörern endgültig jede Hoffnung, dass vielleicht doch irgendwo „alles beim vertrauten Alten“ bleiben wird.

Abschließend waren sich alle Teilnehmer einig, dass gerade der Austausch zwischen Technikerinnen und Technikern, der Richterschaft und der Anwaltschaft im Hinblick auf die allen bevorstehenden Herausforderungen zu einer besonders interessanten und für alle erkenntnisreichen Veranstaltung geführt hatte und eine Fortsetzung dieses konkreten Formats dringend wünschenswert sei.

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